Pfarre Krems St. Paul

Monatsblatt 2020/11

Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? 1 Kor 15,55

Von der ars moriendi - von der Kunst, vom Gelingen des Sterbens

Das Totengedenken anfangs November ist Anlass, einmal grundsätzlich über Sterben und Tod nachzudenken.

Die Pastoraltheologie (die nach zeitgemäßen Wegen der Vermittelbarkeit der christlichen Botschaft in der Gemeinde sucht) verwendet zu diesem Thema einen besonderen Begriff: die ars moriendi, die Kunst des Sterbens. Sie soll den Menschen befähigen, einen guten Tod zu sterben. Die Einübung in das Sterben als Lebensaufgabe ist schon in der Antike und im frühen Christentum bekannt gewesen (vor allem im Mönchstum). Ausgehend von der Gewissheit, dass am Ende des Lebens der Tod folgt, meint man mit Kunst des Sterbens ein bewusst aus christlichem Glauben gestaltetes Leben im Gedenken an den Tod. Das bedeutet nicht ein Leben, das sich irdische Freuden und Interessen versagt, wohl aber die Einladung gelegentlich zu bedenken, dass wir einmal Rechenschaft abzulegen haben. „Unsere Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz“ (Ps 90,12).

In einem speziellen, engeren Sinn wird der Begriff ars moriendi für die Situation des Sterbens jedes Menschen verwendet. Hier kann man ars moriendi treffender mit Geschick, Gelingen des Sterbens übersetzen. An zwei Situationen ist zu denken:

Unser eigenes Sterben: Schon im alten Ägypten (vor 1500 v. Chr.) kannte man das Symbol der Seelenwägung: Das Herz des Toten wurde gewogen. Wenn es im Gleichgewicht mit der anderen Waagschale, in der eine Feder als Symbol der Wahrheit und des Rechts lag, blieb, wurde der Tote in die jenseitige Welt eingelassen. Das Bild der Seelenwaage wurde im Christentum ab dem 12. Jahrhundert mit dem hl. Michael als Seelenwäger verwendet. Ein Bild, das wir übernehmen können, wenn wir an die künftige Ablegung der Rechenschaft denken. Wir stellen eine Art Bilanz auf (bilancia = ital. Waage). In eine Waagschale geben wir all das, was wir in unserem Leben - nach eigener Einschätzung – Gutes und Gottgefälliges getan und erreicht haben. In die andere das Negative, unser Versagen, unsere Versäumnisse. Die eine oder die andere Waagschale wird sich senken. In jedem Fall vertrauen wir uns der Beurteilung durch Gott an.

Zum Gelingen des Sterbens anderer Personen können wir in verschiedener Weise fürsorglich beitragen. Durch ein Gespräch, bei dem das Zuhören oft wichtiger ist als die eigenen Worte. In gemeinsamem Gebet. Manchmal genügt eine Berührung, etwa der Hände: der/die Sterbende weiß, dass er/sie nicht allein ist. Oder auch die bloße Anwesenheit am Krankenbett. Die Seelsorger ermöglichen darüber hinaus die Teilnahme an den Sakramenten: am Bußsakrament, an der Eucharistie, an der Krankensalbung. Für das Gelingen des Sterbens, wie wir die ars moriendi genannt haben, sind die Hospizbewegung und die Palliativmedizin, wie sie z.B. in Einrichtungen der Caritas und der Diakonie gefördert werden, zum Teil auch in Krankenhäusern (wie im Universitätsklinikum Krems), unverzichtbar. Die Palliativmedizin will, wenn die Heilung einer Krankheit durch medizinische Mittel nicht mehr möglich und die Lebenserwartung nur noch begrenzt ist, die Beschwerden lindern und eine höchstmögliche Lebensqualität für den Patienten erreichen. In einer Zeit, in der über die Zulässigkeit der Sterbehilfe diskutiert wird, sind Hospiz und Palliativmedizin auch das überzeugende Gegenmodell: „Menschen sollen an der Hand und nicht durch die Hand eines anderen Menschen sterben“ (Kardinal Franz König).

Und nach dem Tod? In der Gemeinde von Korinth sagten einige: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht (1 Kor 15,12). Dagegen lehrt Paulus, der auch als Pharisäer die Auferweckung der Toten erwartet hatte, dass Tod und Auferweckung Christi den Glauben an die Auferstehung der Toten begründen (1 Kor 15, 12 bis 22). Folgerichtig schreibt Paulus gegen Ende des ersten Korintherbriefs in Anlehnung an den Propheten Hosea (Hos 13,14): Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? (1 Kor 15,55).

Heinz Steiberger

Literatur:
Lexikon für Theologie und Kirche (Herder): Bd. 1 Spalten 1035 ff (ars moriendi),
Band 10 Spalten 913 f (Waage); Das Neue Testament, Einheitsübersetzung, KBW 2017 (Einleitung zu 1 Kor); www.netdoktor.de/palliativmedizin/was-ist-das-13154.html , www.caritas.at/aktuell/news/detail/news/82198-dem.sterben-wuerde-geben/.

Mario Flitsch