Pfarre Krems St. Paul

Monatsblatt 2021/09

Ethik- und Religionsunterricht

Ethik als Pflichtfach ab 2021/22

Den Ethikunterricht gibt es in Österreich seit mehr als 20 Jahren als Schulversuch. Im kommenden Schuljahr 2021/22 wird Ethik als Pflichtfach ab der Sekundarstufe II für all jene Schülerinnen und Schüler eingeführt, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. 2024 ist die gesamte Ausrollung in den AHS abgeschlossen, 2025 in den BHS. Ethikunterricht findet künftig an 920 Standorten statt (bisher 233).

Der Auftrag zur ethischen, religiösen und philosophischen Bildung war in expliziter Form bislang im Religionsunterricht verankert, in der Oberstufe zusätzlich im Philosophieunterricht. Nun soll der neue Pflichtgegenstand gewährleisten, dass allen Schülerinnen und Schülern eine entsprechende Bildung zukommt.

Von der rechtlichen Organisation her treten ab Herbst Religion und Ethik im schulischen Fächerkanon künftig als Alternativgegenstände auf. Es wäre aber irreführend, sie deshalb als Kontrastfächer zu betrachten, denn bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass die beiden Fächer einander bereichern und ergänzen können.

Gemeinsames Anliegen und gemeinsame Herausforderungen

Sowohl dem Ethik- als auch dem Religionsunterricht geht es darum, Kindern und Jugendlichen eine Werteerziehung zukommen zu lassen, die sie befähigt, ethische Entscheidungen zu treffen, mit deren Hilfe sie Orientierung für ein gelingendes Leben gewinnen und das politische Gesellschaftsleben mitgestalten können.

Beide Fächer stehen vor der Frage: „Kann man Religion lehren?“ bzw. „Kann man Ethik lehren?“. Es geht in beiden Fällen um ein Ringen nach Antworten, bei denen die Schülerinnen und Schüler im Diskurs eingebunden werden müssen, um Grundhaltungen und Grundüberzeugungen für ihr Leben zu finden.

Oft wird behauptet, der Ethikunterricht sei, im Gegensatz zum Religionsunterricht, wertneutral. Das ist jedoch eine Illusion, denn in der Vermittlung und Argumentation ethischer und religiöser Positionen fließen immer kontextuelle, kulturelle oder persönliche Voraussetzungen sowohl geschichtlich gewachsener Positionen als auch des Interpreten und Vermittlers mit ein.

Beide Fächer haben ihre Aufgabe darin, eine gediegene Grundlagenreflexion und eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Voraussetzungen vorzunehmen.

Würdigung des jeweiligen Beitrages im Bildungssystem

Trotz der Parallelen zwischen dem erzieherischen Auftrag der beiden Fächer ist es wesentlich, sie auch in ihrem Eigenwert und für ihren jeweiligen Beitrag im schulischen Bildungssystem zu würdigen. Der Ethikunterricht erreicht eine Vielzahl sehr unterschiedlich geprägter Schülerinnen und Schüler, er deckt ein breites Spektrum ethischer Wertesysteme ab und fordert sicher zu besonderer Diskursbereitschaft und der argumentativen Schärfung eigener Positionen heraus.

Sowohl der Ethik- als auch der Religionsunterricht haben es sich zum Ziel gesetzt, kulturverständigend zu wirken, über die Grenzen des Eigenen hinaus. Zum Verständnis der eigenen Kultur zählt auch das Wissen um den religiösen Kulturkreis und dessen Einfluss auf ein bestimmtes Wertesystem.

Das fundierte Wissen um das eigene religiöse Erbe wiederum ist Voraussetzung für eine fruchtbare Auseinandersetzung mit fremden Kulturen und Religionen und wirkt einer vereinfachenden politischen Instrumentalisierung religiöser Werte, wie sie aktuell vielfach in der medialen Öffentlichkeit begegnet, entgegen.

(Quelle: VCL News 2/2019)

Bedeutung des katholischen Religionsunterrichts für die Gesellschaft

Der Religionsunterricht setzt sich zum Ziel, dass die Schülerinnen und Schüler besser mit sich selbst und mit der eigenen Religion vertraut werden. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft und der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche soll einen Beitrag zur Bildung von Identität leisten, die eine unvoreingenommene und angstfreie Öffnung gegenüber dem Anderen erleichtert. Das erfordert eine ausführliche Beschäftigung mit anderen Kulturen, Religionen, Weltanschauungen und Trends, die heute vielfach konkurrierend unsere pluralistische Welt prägen. Es geht sowohl um eine Befähigung zu Toleranz gegenüber Menschen mit unterschiedlichen Überzeugungen als auch gegebenenfalls um die Kompetenz zu sachlich begründetem Einspruch.

Die Thematisierung der gesellschaftlichen Bedeutung von christlichem Glauben soll zum Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ermutigen und befähigen. Damit verbunden ist die Einladung an die Schülerinnen und Schüler, sich in Kirche und Gesellschaft sowie in ihrer Berufs- und Arbeitswelt zu engagieren.

(Aus: Ethische Grundfragen im Lehrplan für den katholischen Religionsunterricht an der Oberstufe Allgemeinbildender Schulen, erstellt im Auftrag der Österreichischen Schulamtsleiterkonferenz von Manfred Göllner, Dezember 2020
INTERDIÖZESANES AMT für Unterricht und Erziehung, Singerstraße 7/4, 1010 Wien, www.religionsunterricht.at)

Ethik und Religion sind zwei Fächer mit etlichen Schnittflächen. Ein gutes Miteinander fundierter religiös und säkular geprägter Anschauungen im gemeinsamen Ringen der Schule um Humanität, Toleranz und gegenseitiger Verständigung ist daher mehr als nur wünschenswert, um Schülerinnen und Schüler für ihre Zukunft zu rüsten.

Andrea Walzer