Pfarre Krems St. Paul

Monatsblatt 2021/01

Der Sonntag des Wortes Gottes

Am 30. September 2019 unterzeichnete Papst Franziskus ein Apostolisches Schreiben (in Form eines Motu proprio) mit dem Titel Aperuit illis (= Er eröffnete ihnen), der den Einleitungsworten entspricht. Er verweist auf eine der letzten Handlungen des auferstandenen Herrn vor seiner Himmelfahrt: Daraufhin eröffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften, berichtet der Evangelist Lukas (Lk 24,45).

Das Datum des Dokuments ist mit Bedacht gewählt. Es ist der Gedenktag des Gelehrten und Kirchenvaters Hieronymus, der am 30. September 420, vor 1600 Jahren, in Bethlehem gestorben ist. Hieronymus übersetzte das Alte Testament (mit Ausnahme einiger weniger Bücher) aus dem Hebräischen (dem Urtext) ins Lateinische und revidierte die bestehenden lateinischen Übersetzungen der Evangelien aus dem Griechischen. Beides ist ein unschätzbarer Verdienst für die Kirche des lateinischen Westens.

Vom Hl. Hieronymus stammt die Feststellung: Die Schrift nicht kennen heißt Christus nicht kennen. Der Papst hebt diese Äußerung ausdrücklich hervor und erinnert an das Zweite Vatikanische Konzil, das im Dokument Über die göttliche Offenbarung - Dei Verbum (Wort Gottes) einen bedeutenden Impuls für die Wiederentdeckung des Wortes Gottes gegeben habe. Deshalb legte er fest, dass der dritte Sonntag im Jahreskreis (Anmerkung: das ist der dritte Sonntag nach dem Fest der Erscheinung des Herrn/Dreikönig) der Betrachtung und der Verbreitung des Wortes Gottes gewidmet sein soll. Dieser Sonntag des Wortes Gottes fällt – so der Papst – passend in den Zeitabschnitt des Jahres, in dem wir unsere Beziehungen zu den Juden zu festigen (17. Jänner Tag des Judentums) und für die Einheit der Christen zu beten eingeladen sind (18. bis 25. Jänner Weltgebetswoche für die Einheit der Christen). Er setzt fort: Die Feier des Sonntags des Wortes Gottes ist von ökumenischer Bedeutung, denn die Heilige Schrift zeigt denen, die auf sie hören, den Weg auf, der beschritten werden muss, um zu einer authentischen und soliden Einheit zu gelangen.

Um die Bedeutung der Heiligen Schrift zu unterstreichen, verweist der Papst auf diese selbst, nämlich weitere in ihr enthaltene Berichte: so auf das Buch Nehemia aus dem Alten Testament: Das Volk Israel ist aus dem babylonischen Exil heimgekehrt, versammelt sich in Jerusalem und ein Priester liest aus der Heiligen Schrift vor (Neh 8, 1 ff). Die Schlussfolgerung: Das Wort Gottes vereint die Gläubigen und macht sie zu einem Volk. Aus dem Neuen Testament nennt er den Bericht über die Emmausjünger (Lk 24, 13 ff): Der Auferstandene schließt sich auf dem Weg nach Emmaus den beiden Jüngern an, die von Traurigkeit und Enttäuschung über das tragische Ende Jesu erfüllt sind. Sie haben den Sinn seines Leidens nicht erkannt. Er legt ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht. Als Jesus beim Abendessen das Brot nimmt, den Lobpreis spricht und es ihnen reicht, erkennen sie Jesus. Der Papst: Wir verstehen durch diese Szene, wie untrennbar die Beziehung zwischen Heiliger Schrift und Eucharistie ist und erinnert an die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils: Die Kirche hat die Heiligen Schriften immer verehrt wie den Herrenleib selbst, weil sie, vor allem in der heiligen Liturgie, vom Tisch des Wortes Gottes wie des Leibes Christi ohne Unterlass das Brot des Lebens nimmt und den Gläubigen reicht (Dei Verbum 21).

Das Apostolische Schreiben enthält unter Berufung auf das Konzilsdokument Erklärungen über die Göttliche Inspiration der Heiligen Schrift, d. h. das Wirken des Heiligen Geistes bei ihrer Abfassung. Der Papst führt aus, dass der Hl. Paulus seinem treuen Mitarbeiter Timotheus empfiehlt, beständig die Heilige Schrift zu lesen. Jede Schrift ist, als von Gott eingegeben, auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung (2 Tim 3,16). Diese Empfehlung stelle die Grundlage dar, auf der das Konzil das wichtige Thema der Inspiration der Heiligen Schrift behandelt habe.

Das Apostolische Schreiben enthält weitere Ausführungen über die Bedeutung der Heiligen Schrift für das christliche Leben und verweist dazu noch auf andere Stellen in ihr selbst und im Konzilsdokument Dei Verbum (Wort Gottes). Es bringt schließlich auch Anleitungen, wie der Gottesdienst am Sonntag des Wortes Gottes gestaltet werden soll: Wichtig sei, dass die Heilige Schrift während der Eucharistiefeier inthronisiert (d. h. wohl: im Altarraum sichtbar präsentiert) werde, um der Versammlung der Gläubigen den maßgebenden Wert des Wortes Gottes zu verdeutlichen. Es sei an diesem Sonntag besonders nützlich, die Predigt so zu gestalten, dass der Dienst am Wort herausgestellt werde.

Einige wichtige Punkte aus dem Apostolischen Schreiben wurden hier kurz vorgestellt: die ökumenische Bedeutung der Heiligen Schrift, ihr Gemeinschaft stiftender Charakter, das schöne Bild vom Tisch des Wortes, die göttliche Inspiration bei ihrer Entstehung, die Gestaltung des Gottesdienstes am Sonntag des Wortes Gottes, an dem die Heilige Schrift sichtbar im Mittelpunkt stehen soll. Auf weitere, lesenswerte Gedanken des Papstes in diesem neun Seiten umfassenden Dokument kann hier nicht eingegangen werden.

In unserer Pfarre, deren Patron der Apostel Paulus ist, soll im Zusammenhang mit der Heiligen Schrift, dem Wort Gottes, ein Thema nicht unerörtert bleiben: Paulus und die Schrift des Alten Testaments. Paulus ist davon überzeugt, dass der Gott Israels, der in der Schrift sich geäußert hat, auch der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus ist, der sich jetzt in ihm endgültig geoffenbart hat. Was sagt die Schrift? Diese Frage wird sich der Apostel oft gestellt haben. Und er findet zahlreiche Antworten, die er auch einleiten kann mit der Formel: Die Schrift sagt… (Joachim Gnilka unter Hinweis auf Röm 4,3; 9,17; 10,11; Gal 4,30; 3,8.22). Für uns ein weiterer Grund, den Sonntag des Wortes Gottes in besonderer Weise zu feiern.

Heinz Steiberger

Apostolisches Schreiben „Aperuit illis“ im Internet: www.vatican.va unter Franziskus - Apostolische Schreiben
Literatur: Joachim Gnilka, Paulus von Tarsus – Apostel und Zeuge (Herder 1996), Seite 186.